Mein Kommentar: Birgit Hebein – Die siegreiche Verliererin. Außenansicht eines nichtgrünen Umweltschützers

Birgit Hebein ist als grüne Vizebürermeisterin einen eigenwilligen politischen Kurs gefahren und damit gescheitert, weil sie fahrlässig die Regierungsbeteiligung verspielt hat. Das macht die relative Wahlgewinnerin dennoch zur Verliererin des zukünftigen Repräsentationsanspruches der Wiener Grünen, noch dazu mit einem Wahlgewinn, der sich im Vergleich zum Wiener Ergebnis der Nationalratswahl mit über 60.000 Stimmen weniger bescheidener darstellt. Offensichtlich hatte sie noch dazu keinen breiten Rückhalt im Grünen Klub, der auch grünintern auf Listen gewählt wurde, oder hat diesen am Weg verloren, der sich in der Zwischenzeit sehr stimmig neu ausgerichet hat. Die Rolle als Elder City Woman im Gemeinde- oder Bundesrat hätte ich ihr vom Herzen vergönnt. Das alles geschieht auch vor dem Hintergrund, wenngleich das verständlicher Weise nur für wenige Grüne schon wahrnehmbar scheint, des Beginns der größten politischen Kontinentalverschiebung auf der Werteebene seit der Besetzung der Hainburger Au 1988 und ihrer politischen Manifestation mit der sozial-liberalen SPÖ-NEOS-Stadtregierung,: Die Morgenröte einer neuen umweltfreundlichen und sozialen Moderne in Wien. Diese gäbe es nicht ohne die Grüne Bewegung und sie wird weiter deren Kritik und Mitgestaltung brauchen, aber die Führung haben bis auf weiteres Andere übernommen.

Ich habe im Wahlkampf bei dem ich eine eigene sozial-liberale Vision eingebracht habe, auch wenn ich mich auch um postgrüne Perspektiven bemüht habe, immer anerkannt, dass Birgit Hebein bei einer Mitgliederwahl gewählt wurde: Bemerkenswert, Mitgliederdirektwahl der Vorsitzenden. Keine Angst, aber auch ich hätte dort kandidieren können. Als nichtgrüner Beobachter hat es mich gefreut, dass eine Vertreterin des vielleicht linken Flügels das rennen machte und bei einem Video-Interview für eine Doku über Arbeitslosigkeit am Rande der Gewerkschaftsdemo gegen den 12 h Tag hat mich ihr bodenständiges Wienerisch hoffen lassen, dass Sie Grüne Ideen auch abseits der Grünen Salons solanfähig machen, bzw. Wiener Salons auch in den Außenbezirken mitbegründen würde.

Ihre Repräsentation der Wiener Grünen war dann aber schon bald nicht meines. Jetzt bin ich aber durchaus auch ein vielfältiger Mensch und es muss nicht jede und jeder mein Role-Model sein. Birgit Hebein hat es jedoch nicht geschafft für mich und viele die ich kenne zur Sympathieträgerin für Grüne Ideen zu werden. Sie repräsentiert für mich nach Außen, ich kenne Sie nicht persönlich, das verbissene Grüne, dass sich vor allem über Gegnerschaft definiert und ins Antimoderne abgleitet, dass schafft natürlich viele, auch unnötige Konflikte und ist nur dann sympathisch wenn man die Feindbilder teilt, seien das jetzt Autos oder die jungen Modernen von den NEOS, die mal gleich pauschal alle als finanzmarktneoliberal abgeurteilt werden. Jetzt nehme ich aber auch zur Kenntnis, dass es Menschen gibt die sich sehr gut vertreten fühlen durch sie. Das freut mich auch und ja, sie hat für die Wiener Grünen das beste Wiener Wahlergebnis ohne Auto, auch nicht mit Elektroauto, E-Auto-Carsharing, ohne Ladestationen, mit dem Fahrrad eingefahren.

Ich sehe Sie dennoch als klare Wahlverliererin und für mich war klar, dass ihre Repräsentationsrolle der Wiener Grünen zu Ende geht. Warum: Zweitens einmal, weil sie weit hinter bisherigen Grünen Potential zurück geblieben ist in Wien, die bei der Nationalratswahl zu Beginn des freitäglichen Aufbruchs der generation future 169.866 Stimmen und 20,69 Prozent erreichten. Bei der Wienwahl aber nur 107.397 und 14,80%. Jetzt sind Bundes und Stadtwahlen vielleicht nicht vergleichbar. Ich hätte aber den Grünen als urbane Stadtpartei tendenziell mehr Zustimmung in Wien für die Wien als für die Nationalratswahl zugeschrieben, auch unter Berücksichtigung des möglichen Beginns des 2. Totalkollapses der Bundes-Grünen durch die Regierungsarbeit im Bund.

Birgit Hebein ist als Repräsentantin der Wiener Grünen gescheitert, weil der Machtanspruch von Birgit Hebein weit über die rot-grüne Koalition und ihr Regierungsprogramm hinaus ging. Hätte Sie mit Elan die Koalition mit der SPÖ ausgefüllt und im Wahlkampf dann kämpferisch neue Kapitel aufgeschlagen, auch die autofreie Wiener Innenstadt, und die SPÖ hätte eine Neuauflage der Koalition ausgeschlagen, sie wäre die strahlende Siegerin geworden mit dem Anspruch die Grünen durchaus auch in die Oppositionsrolle zu führen. Nachdem Sie aber versucht hat mitten in der Koalition ihren Koalitionspartner zu übervorteilen und ich weiß schon, dass die SPÖ Wien auch kein machtpolitisches Waserl ist, aber am mit fast 40% gewählten SPÖ-Bürgermeister und Koalitionspartner vorbei zu versuchen, mit dem Türkisen Bezirksvorsteher der Inneren Stadt maßgebliche Veränderungen, wie die mehr oder weniger autofreie Innenstadt durchzusetzen ist schon ein gehöriges Stück. Wahrscheinlich hat das zum Bruch der Koalition geführt. Neben dem atmosphärischen der ständigen Unberechenbarkeit des Grünen Koalitionspartners. Und das hat alleine Birgit Hebein zu verantworten und sonst niemand. Keine herrischen grünen Männer, keine rückschrittliche SPÖ, einzig und alleine Frau Vizebürgermeisterin Birgit Hebein. Birgit Hebein hatte eine faire Chance bekommen, ist zu recht fürstlich dafür entlohnt worden und hätte weiter ein Gemeinderats- oder Bundesratsmandat wahrnehmen können. Wenig demokratisch-sportlich auch ihre ersten Reaktionen auf Rot-Pink: „neoliberale Koalition“ und „es wird keine Schonfrist geben.“ – Wieder nichts gelernt.

Inhaltlich hat sie die Wiener Grünen auf eine Anti-Autofahrerpartei reduziert. Das mag für die Gesamtheit der Wiener Grünen nicht stimmen, aber sie hat es als Spitzenkandidatin so vermittelt Ich habe z.B. vergeblich Antworten vermisst, wie die 60% CO2-Emmisssionen jenseits des Verkehrsthemas klimaneutralisiert werden sollen. Weitere Wahlkampfforderung 35h Woche für ohnedies wertgeschätzte Beamte, als gäbe es jetzt keine wichtigeren gesellschaftlichen Gruppen in der Krise , um die sich die Politik kümmern sollte. 1 Jahr Freifahrt bei den Öffis, jetzt mal abgesehen von der Frage des Finanzierungsbeitrages der Fahrgäste, zu auch auch Dank der Grünen günstigsten Verkehrsmittel, wie soll das gehen alle Automaten und alles Personal 1 Jahr auszusetzen? Schließlich noch die Forderung nach der Entwaffnung der Wiener Polizei.

Die Grünen haben dann auch die Zeichen der Zeit nicht gesehen, dass sich nach einem halben Jahrhundert, der Postmoderne als dominierende progressive Avantgarde und gesellschaftliche Bewegung, die mit dem Eintritt in die Bundesregierung in Österreich aktuell ihren Höhepunkt der Macht erreicht hat, ein neues Leuchten am Horizont entwickelt hat. Die Probleme und Widerspruch der Grünen würde ich am besten so zusammenfassen: Wer nicht Teil der Lösung wird, wird früher oder später selber zur Problem. Und überall dort wo die Grünen ungenügende Antworten geliefert haben, ist unbemerkt neues Grün über die Grünen hinaus gewachsen und wird erstmalig sichtbar als eine neue umweltfreundliche und sozial gerechte Moderne. Es wird weiter die Antithesen der Postmoderne brauchen, als Kritik und Opposition, sie werden sich aber auch von visionären, tatkräftigen, erfolgreichen und lustigen Entwürfen der neuen Moderne abgelöst werden. Und an diesem Punkt der Geschichte muss man und frau sagen: SPÖ-NEOS: It´s a match. Die alte Moderne, die sich so sehr zu recht 50 Jahre infrage stellen lassen hat müssen, findet zu erneuerter, alter Kraft, wieder Antworten zu geben, darauf dass Menschen weiter Wohnung und Jobs oder neue Formen von Einkommen brauchen und nicht nur vom Grünen Postmaterialismus leben können. Die neue Moderne möchte gleichzeitig eine Schaffenskraft und Freude freisetzen, die jede Grüne Basisdiktatur sprengen würde. Die SPÖ hat vor allem auch erkannt, dass es für sie im Grünen Milieu wenig zu gewinnen gibt und dass sie ihre traditionellen Wählerinnen und Wähler in einer Rot-Grünen-Koalition mit grünen Probleme eher nicht zurück gewinnen kann als in einer neuen modernen Perspektive, die sie folgerichtig „Fortschrittskoalition“ nennt. Dass ich nicht ganz falsch liege beweist mir Hannes Androsch, Vizekanzler und Finanzminister a.D. der dieser Tage meinte: „Ich sehe in der jetzigen Wiener Koalition eine morgen Röte für eine hellere Zukunft weit über Wien hinaus.“

Ich finde daher die Weichenstellung im Grünen Klub sehr stimmig: Mit Judith Pühringer eine Newcomerin mit Arbeitsmarkt- und sozialpolitischer Kompetenz, Peter Kraus als Aufsteiger, der im Wahlkampf auch mal über die restlichen 60% CO2-Emmisisionen jenseits vom Verkehr geredet hat und mit David Ellensohn, der auch die neuen Gemeindebauten mit auf Schiene bracht hat und den erfahrenen Parteimanager einbringt, den es auch braucht bei einer Neuausrichtung. Das Gemeinderatsmandat, auch ein enormes wirtschaftliches und gesellschaftliche Privileg, hätte ich der baldigen Vizebürgermeisterin a.D. vom Herzen verdient vergönnt, als Elder City Woman, die den neuen Gemeinderatsklub ihre Vision übergeben kann, mit ihrer Erfahrung und Expertise zu begleiten, auch noch die Zeit nutzt, um den Kontrast zur SPÖ-NEOS-Wien Koalition aus ihrer Sicht deutlich zu machen und die Parteiführung bis zur Neuwahl ausfüllt. Auch einen Wechsel in den Bundesrat, um dort Grüne Wiener Interessen zu vertreten, fände ich eine ehrenvolle und verdiente Option. Dass Sie jetzt auf ihr Mandat verzichtet ist einerseits groß, andererseits wieder die typische Grüne Unordnung.

„In den beiden Jahrzehnten vor und nach 1900, bringt ein geistiges Glühen das kaiserliche Wien zum Leuchten. Eine Welt, die schon bald die Welt von gestern sein wird. Die Luft ist voller Ideen, kleiner und großer, voller Gedanken, die so noch nie gedacht worden sind. Moderne Gedanken, die in Literatur, Architektur, Musik, Psychologie und Philosophie das 20. Jahrhundert prägen werden. Schillernde Spuren dieser Ideen sind heute Teil der Stadt, in den Straßen und in den Köpfen. Das Leuchten der Wiener Moderne inspiriert noch immer.“ So beschreit der Film „“Aufgetischt „Die Wiener Moderne““ von Lisa Mörtelmazer den Beginn des 20. Jahrhunderts.. Wien steht am Beginn einer neuen umweltfreundlichen und sozial gerechten Moderne, eine neue Moderne, die es ohne die Kritik und Ideen der Grünen nicht gäbe und die auch weiter Grüne Beiträge brauchen wird, auch wenn ihnen die Führung und auch manche Blockade bis auf weiteres aus der Hand genommen worden ist.

Alexander Trinkl ist Einpersonenunternehmer und Küchenhilfe in Wien www.alexander-trinkl.eu

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